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19. Dezember

Where are you Christmas

Wenn ich jetzt durch die Straßen gehe, mit festlich geschmückten Weihnachtsbäumen, Weihnachtsmusik, Krippen mit Engeln und Hirten, den frohen Gesichtern, dann habe ich meine Anlaufschwierigkeiten, die ich dieses Jahr mit Weihnachten hatte, beinahe wieder vergessen.

Aber wenn es in den Nachrichten mal wieder so richtig dicke kam, 

  • immer noch Krieg in der Ukraine und kein Ende in Sicht, 
  • das fürchterliche Kämpfen im Nahen Osten, 
  • die vielen anderen Konflikte in Myanmar, im Sudan, 
  • politisches Geschacher von Muxtar Babayev und der OECD auf der COP 29,  
  • immer noch kein verbindlicher Ausstiegsplan aus Kohle, Öl und Gas, 
  • dafür aber immer noch mehr Verzögerungen im Klimaschutz, 
  • schlimmer noch, die Wahl von DT und die Benennung von nahezu ausschließlich libertären Ministern(!),

also immer dann, wenn es in den Nachrichten wieder so richtig dicke kam, da habe ich mir gewünscht, wir würden Weihnachten feiern, wie es im Markus-Evangelium beschrieben ist.

Im Markus-Evangelium gibt es nämlich keine Weihnachtsgeschichte. 

Keinen Stall, 
keine Krippe, 
keine Hirten, 
keine Engel.

Markus beginnt sein Evangelium mit der Taufe Jesu im Jordan. Und dabei kommt der Geist wie eine Taube auf Jesus herab und Gott sagt:

„Du bist mein geliebter Sohn.” 1)

Also keine Weihnachten mit Ochs und Esel, sondern Weihnachten mit einer Taube, am liebsten mit einer Friedenstaube.

So lief ich dann bis zum dritten Adventssonntag wie der Grinch durch die Gegend, nicht so grün, aber beinahe genauso muffig: „Where Are You Christmas?“2)

Keine Vorfreude, keine Lust auf Weihnachten!

Und ich saß auch am dritten Advent noch übelgelaunt im Gottesdienst, am Sonntag „Gaudete“ – Freut euch! 
Na dann freu‘ dich mal!

Zumindest weiß ich mich da nicht alleine.

Papst Franziskus hat 2015 nach den Anschlägen in Paris gesagt, Weihnachten sei angesichts der Probleme der Welt eine Scharade und – wortwörtlich – ein Affenzirkus.3). Die Welt habe den Weg des Friedens nicht verstanden.

Aber so ganz langsam hat dann doch die Weihnachtsfreude in mir ihren Platz gefunden, in meinem Kopf, aber – vielleicht wichtiger – vierzig Zentimeter tiefer, sozusagen abgesackt, auch in meinem Herzen.

Vielleicht war es ein Adventskonzert mit Rheinbergers „Der Stern von Bethlehem“ und dann im 3. Satz: „Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind.“ Das mit dem guten Willen zumindest schreibe ich mir ja zu.

Vielleicht war es auch das Lesen des Weihnachtsevangeliums aus dem Lukas-Evangelium:

„Und der Engel sprach: Fürchte Dich nicht.”

Gerade dieses „Fürchte Dich nicht“, mit der Aufforderung, die Angst nicht übermächtig werden zu lassen, sondern mit der Zusicherung, Gott ist immer bei mir.

Vielleicht waren es auch die Berichte von Christen aus dem Nahen Osten, die vom Advent und den Weihnachtsvorbereitungen im Heiligen Land erzählen. 

Zum Beispiel vom Entzünden der ersten Kerze am Adventskranz in der Geburtsgrotte in Bethlehem und der besonderen Bedeutung des Lichts. 
Dabei auch direkt der Verweis auf eine Stelle des Johannes-Evangeliums:

„Und das Licht leuchtet in der Finsternis
und die Finsternis hat es nicht erfasst.“

Ganz bestimmt aber die ersten Proben für die Christmette mit dem phantastischen „Where are You Christmas“ aus dem Film „How the Grinch Stole Christmas„.4)

So, da hatte mich Weihnachten quasi wieder eingefangen und dann war da auch wieder die Vorfreude auf das Fest.

Wenn ich mich mit Bibeltexten wiederholt befasse, dann sprechen mich oft ganz andere Passagen an, so auch hier. 
Dieses Jahr wurde mir der 12te Vers aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums besonders wichtig.

Allen aber, die ihn aufnahmen,
gab er Macht, Kinder Gottes zu werden,
allen, die an seinen Namen glauben.

Nicht die Macht, Kriege zu beenden, nicht die Macht die fossilen Industrien zu einem Umdenken zu bewegen, nicht mal die Macht, ein paar Menschen zu Verzicht und nachhaltigem Verhalten zu bewegen. 

Aber es geht ja auch, so wie ich das verstehe, gar nicht zuvörderst um weltliche Macht. 

Es geht um die Bitte um eine Er-MÄCHTigung, ein Kind Gottes zu werden, oder wie es in anderen Bibelübersetzungen heißt: dass „er denen das Recht gab, Kinder Gottes zu werden“ 5) oder „denen übertrug er  Vollmacht. So wurden sie zu Kindern Gottes.“ 6)
Das erbitte ich dann auch für mich, für uns alle und für die Mächtigen und Führenden in der Welt.

Dass er denen, aber auch allen anderen Menschen und mir hilft, die wahre Bedeutung von Weihnachten zu erkennen. Zu erkennen und zu verstehen, dass wir unseren Mitmenschen, vor allem den Abgehängten und den Abgeschriebenen, Liebe und Barmherzigkeit alleine deshalb schulden, weil wir selbst von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes leben. 

Und als kleiner Merktext, so zum Mitnehmen, sozusagen für das kleine theologische Handgepäck, die vielleicht komprimierteste aller Weihnachtsgeschichten:

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.”


  1. Die Bibelstellen sind der Einheitsübersetzung entnommen.
  2. Vielleicht das Weihnachtslied der Weihnachtslieder aus neuerer Zeit, es ist für den Film „How the Grinch Stole Christmas“ geschrieben worden. 
  3. Siehe z. B.:  https://www.focus.de/politik/videos/angesichts-der-anschlaege-papst-franziskus-bezeichnet-weihnachten-als-affenzirkus_id_5105882.html
  4. Unbedingt auf die Bridge achten, wenn sich Melancholie in Freude verwandelt.
    Meine Lieblingsversion von Pentatonix: https://www.youtube.com/watch?v=emXbfEzXn6A
  5. Lutherbibel 2017
  6. Das Buch