Solidarität mit Sonja Manderbach und anderen kriminalisierten Klimaaktivist*innen

Wir Christians for Future (C4F) erklären im folgenden Text, warum wir uns solidarisieren und warum uns das alle etwas angeht. Wir stehen vor der größten Herausforderung in der Menschheitsgeschichte: die Erhaltung der Schöpfung mit all ihren Geschöpfen (0). Von Wissenschaftler*innen werden wir bereits seit über 50 Jahren (1) gewarnt, was mit unserer Erde passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher. Was heißt das genau? Das größte Problem sind die enormen CO2-Emissionen weltweit. Unser Planet erwärmt sich immer schneller – durch uns Menschen verursacht. Die Kettenreaktionen, die dadurch entstehen, sorgen dafür, dass unsere Erde zunehmend unbewohnbar wird und wir große Teile der artenreichen Schöpfung zerstören. Dieses Szenario ist aufhaltbar. 

Wenn wir nicht wollen, dass zukünftige Generationen einer katastrophalen Situation ausgesetzt sein werden, ist es dringend nötig, CO2-Emissionen zu reduzieren. Politische und wirtschaftliche Akteur*innen sind angehalten, schnelle und effektive Maßnahmen zu ergreifen. Es gilt, die großen Emissions-Treiber zu stoppen und auf emissionsfreie Alternativen zu setzen. Die Verantwortung jedes*jeder Einzelnen, den persönlichen Fußabdruck zu reduzieren, hilft nur wenig, wenn gleichzeitig im großen Stil Lebensgrundlagen zerstört werden. „Es ist schwer, ehrenamtlich nach Feierabend die Welt zu retten, während sie andere hauptamtlich zerstören.” (Marit Schatzmann) 

Die Hebel für eine relevante Veränderung haben Politiker*innen, gesellschaftlich Verantwortliche und große Konzerne in der Hand. Da die verantwortlichen Akteur*innen jedoch anscheinend den Ernst der Lage nicht anerkennen, eigene gesteckte Klimaziele nicht gewillt sind zu erreichen (2) und nicht aus eigenem Antrieb die nötigen Maßnahmen schnell und kompetent umsetzen, braucht es Druck und Protest aus der Bevölkerung. 

Seit Jahrzehnten setzen sich Menschen für Klima- und Umweltschutz mit unterschiedlichsten Protestformen ein. Heute ist das Handeln dringender denn je, da uns die Zeit davonrennt. So kamen in den letzten Jahren viele weitere Klimagruppen hinzu, angefangen mit Fridays for Future. Diese große, diverse Klimabewegung hat ein und dasselbe Ziel: Klimagerechtigkeit auf dieser Welt herzustellen. Das bedeutet: notwendige Maßnahmen sofort umzusetzen und dabei auf soziale Gerechtigkeit zu achten. So unterschiedlich all diese Gruppen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Formen des Protestes. Keine Aktivistin engagiert sich in einer der Klimagruppen, weil es so viel Spaß macht. Alle sehen sich in der Verantwortung gegenüber jenen, die massiv unter der Klimakatastrophe leiden und leiden werden. Alle diese klimaaktiven Menschen haben die Hoffnung, durch Handeln die Wende hin zu einer gerechten, emissionsfreien und lebbaren Welt zu erreichen und die Lebensgrundlagen zu erhalten. Sie setzen sich alle dafür ein, dass immer mehr Menschen den Ernst der Lage verstehen, Möglichkeiten hin zu einem besseren Leben erkennen und gemeinsam eine neue Zukunft gestalten. 

Aus diesen Aspekten heraus ist es ausgesprochen treffend, dass das Wort “Klimaterroristen” als Unwort des Jahres 2022 gewählt wurde (3). Dieses Wort, kreiert von Verantwortlichen in der Politik, ist durch umstrittene Aktionen der Gruppe Letzte Generation (LG) entstanden. Wem diese Aktionen zu „radikal“ sind, hat offenbar die Radikalität hinter dem eigenen Nicht-Handeln noch nicht erkannt. Nicht zu handeln ist radikal, darauf aufmerksam zu machen jedoch nicht. Alle Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen, würden sehr gerne ihre Zeit für andere Dinge verwenden, wenn man sich eben auf politischen Akteur*innen verlassen könnte. Es ist kein Wunder, dass LG durch ihre Art des Protestes derzeit in aller Munde ist. Es wird darüber gestritten, ob die Aktionen gerechtfertigt sind. Es fallen Äußerungen wie: Radikalisierung und Gefährdung der Demokratie. LG wird dafür kriminalisiert, dass sie auf eine unangenehme Wahrheit hinweist und einfache Forderungen (4) stellt, die jedoch eine entscheidende Wirkung hin zu einer klimagerechten Politik haben könnten. LG-Aktivist*innen erhalten unverhältnismäßige Strafen, welche wie juristische Überreaktionen wirken, gibt es doch parallel auch milde Strafen und sogar Freisprüche (5). 

Wen von uns erschreckt es nicht, dass in unserer westlichen Welt tagtäglich so viele genießbare Lebensmittel weggeworfen werden? Wen wundert es nicht, dass Containern in Deutschland bis dato strafbar ist? Für diese erste Forderung, dass Essen Retten in Deutschland legal wird, hatte sich LG mit ihrer ersten Blockade eingesetzt. Menschen, die sich neben ihrem Engagement bei LG auch bei uns engagieren, waren dabei, wie Sonja Manderbach. Sie wurde für diese Blockaden zu einer Geldstrafe von 12000 Euro verurteilt, die einer Ersatzhaft von 300 Tagen entspricht. Die zweite LG-Forderung ist eine logische Konsequenz, da CO2-Emissionen reduziert werden müssen. Sie lautet: Keine zusätzlichen Investitionen in fossile Energien, sondern in erneuerbare Energien. Die dritte Forderung lautet: Kein neues Nordseeöl. Die Zerstörung der Umwelt liegt nicht in unser aller Interesse. Wer hatte sich nicht über das 9-Euro-Ticket gefreut und hätte dieses sozial gerechte Ticket heute noch gerne? Das ist die vierte Forderung. Zusammen mit einem Tempolimit 100, einer schnellen, effektiven Maßnahme, um den CO2-Ausstoß deutlich zu verringern. Die fünfte Forderung lautet: mit der Einrichtung eines Gesellschaftsrats die Demokratie zu stärken. Durch diese Forderung soll laut einigen Politiker*innen die Demokratie in Gefahr sein.

Diese einfachen Forderungen bedeuten keinen sonderlichen Kraftakt seitens der politischen Entscheider*innen. Wir C4F stellen ebenfalls Forderungen (6). Diese richten sich an Akteur*innen in den Kirchen. Auch die Kirchenleitungen tun sich schwer mit der Umsetzung unserer Forderungen. Sie mögen herausfordernd klingen, jedoch fehlt auch hier oft die Anerkennung der Notwendigkeit. Eine zentrale Forderung wäre für die Kirchen schnell umsetzbar: mit ihrer prophetischen Stimme zu wirken und die Klimabewegung zu unterstützen, die Dringlichkeit des Handelns zu betonen, damit die Schöpfung, die Mitgeschöpfe und letztendlich die Menschen erhalten bleiben.

Weil uns die Ziele einen und es nicht gerechtfertigt ist, Klimaaktivist*innen zu kriminalisieren, egal wo auf dieser Welt, zeigen wir uns solidarisch mit Sonja Manderbach und all den anderen verurteilten Klimaaktivist*innen. Es ist eine christliche Solidarität, die auch in der Bibel zu finden ist. Ziviler Ungehorsam ist für Christ*innen und Kirchen kein Neuland (7). Sowohl das Christentum als auch z.B. die Suffragetten (8) und viele andere gesellschaftliche Wandlungen (9) hatten Erfolg im zivilen Ungehorsam. Wir alle sind die letzte Generation, die noch etwas gegen die Klimakatastrophe unternehmen kann: Auch deshalb solidarisieren wir uns mit Sonja Manderbach und all den weiteren Klimaaktivist*innen, die kriminalisiert, verurteilt und weltweit gesehen sogar ermordet werden (10) dafür, dass sie sich für eine lebenswerte Zukunft für alle einsetzen!

Christians for Future


US-Präsident Barack Obama auf der Weltklimakonferenz in Paris 2015:
„Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann.“

António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen:
„Klimaaktivisten werden manchmal als ‚gefährliche Radikale‘ dargestellt. Aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen erhöhen.
Investitionen in neue fossile Infrastruktur sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn!“

Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin:
„Auch ich habe zuerst die neuen Proteste abgelehnt. Ich hielt sie für ungeeignet, neue Mehrheiten für den Klimaschutz zu beschaffen.
Jetzt komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die „Letzte Generation“ hat unserer Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten – und die Gesellschaft zeigt ihr hässliches Gesicht.
Die Protestierenden werden bespuckt, getreten und geschlagen. In Bayern werden sie erst einmal weggesperrt – ohne Anwalt und Gerichtsverfahren. Und ich dachte, so etwas gibt es nur in der Türkei oder in Katar.“

Luisa Neubauer, Klimaaktivistin:
„Gerade, weil du weißt, dass du nicht so nachhaltig lebst, wie wir alle leben müssten – niemand tut das, das können wir im Moment überhaupt nicht – gibt es ja eine erhöhte Verantwortung, sich für politischen Wandel einzusetzen.“

Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung:
„Ich war erst sehr skeptisch, aber die Reaktionen zeigen den Sinn dieser Aktionsform: Sie entlarvt die Verlogenheit von Menschen, die sich über eine verschmutzte Glasscheibe echauffieren, aber nichts gegen die Zerstörung unseres einzigen, wundervollen Heimatplaneten unternehmen.“

„Übrigens, wenn alle, die Klimaschutz wichtig finden, zu den ganz normalen, legalen Demos hingehen würden, wäre der Druck auf Politik und Wirtschaft so groß, dass sich niemand irgendwo ankleben müsste …“
(unbekannt)

Luisa Neubauer, Klimaaktivistin, im November 2022:
„Über die Aktionsform kann man streiten. Aber solange die Bundesregierung sich weigert, Klimaschutzziele einzuhalten, werden immer mehr von diesen Konflikten in die Gesellschaft verlagert. Wenn wir nur halb so enthusiastisch über mögliche Klimamaßnahmen sprechen würden, wie jetzt darüber diskutiert wird, welcher Protest okay ist, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter.“

Jane Goodall, Verhaltensforscherin:
„Was du tust, macht einen Unterschied, und du musst entscheiden, welche Art von Unterschied du machen willst.“

Quellen:
(0) https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-klimawandel-verlaeuft-schneller
(1) Wann die Welt vom Klimawandel wusste – und was sie tat I ZDFheute
(2) Handeln sie nicht, handeln wir. – BUND e.V.
(3) Unwort des Jahres 2022: Klimaterroristen – 2023 – Aktuelles – Philipps-Universität Marburg (uni-marburg.de)
(4) https://letztegeneration.de/forderungen/
(5) Strafen gegen die „Letzte Generation“: Jetzt werden Gerichte blockiert – taz.de
(6) https://christians4future.org/christians4future/
(7) https://wassagtdiebibel.com/%C3%BCber/ziviler-ungehorsam
(8) https://www.vogue.de/people-kultur/kultur-tipps/suffragetten-wahlrecht-frauen-geschichte
(9) https://rebellion.global/de/blog/2020/11/03/civil-disobedience-examples/
(10) https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-07/lateinamerika-morde-umweltschuetzer-bericht-global-witness-kolumbien?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F

Skip to content