Vernetzungstreffen zu den 10 Thesen für einen sozialen und ökologischen Neustart:
2. Vernetzungstreffen zu den 10 Thesen für einen sozialen und ökologischen Neustart
18./19. April 23, Berlin
Bericht von Frank Lehmann als Mandatsträger für die ChristiansForFuture
In einem 10-Thesen-Papier haben sich im September 2022 über 50 Organisationen[1] für einen sozial-ökologischen Neustart ausgesprochen. Plattform ist das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung, Berlin, welches auch eine Personalstelle, die mit Anna-Lena Guske besetzt ist, zur Verfügung stellt:
https://www.diakonie.de/journal/zehn-thesen-fuer-einen-sozialen-und-oekologischen-neustart
Nach dem Thema Ernährung des ersten Vernetzungstreffens stand jetzt das Thema Gerechtigkeit im Fokus (Einladung und Ablauf als pdf-Dokument angehängt).
Sunita Narain, die zur The 21st Century Transformational Economics Commission gehört, die den neuen Bericht an den Club of Rome „Earth For All“[2] verfasst hat: Ein erschreckendes Bild von Indien, dass im Verlauf dieses Jahres zum bevölkerungsreichsten Land der Welt vor China aufsteigen wird[3], wird deutlich. Probleme, die in Deutschland im 19. Jahrhundert bekämpft wurden, sind dort für große Teile der Bevölkerung Alltag: Kein Zugang zu sauberem Wasser, keine Abwasserentsorgung, Kochen mit fossiler Energie, nicht elektrifiziert. Die internationalen Klimaabkommen (z. B. G7 bis 2030 keine Kohle mehr) bedeuten für die Armen kein Zugang zu Energie mehr. Der Krieg in der Ukraine verstärkt in Indien durch die Kooperation mit Russland die Abhängigkeit von den Fossilen.
Als Lösung empfiehlt Sunita Narain weltweite Vereinbarungen zu den einzelnen Sektoren: z. B. Dekarbonisierung der Stahlproduktion weltweit bedeutet weltweit eine Finanzierung, die dann durch alle Länder zusammen in den einzelnen Ländern gewährleistet werden muss z. B. durch Schuldenerlass; denn weltweit ist der Schuldendienst höher als die erforderlichen Investitionen in das Klima (global commence: Umverteilung weltweit).
Katharina Bohnenberger, die 2022 eine Studie zur Sozial- und Klimapolitik https://difis.org/f/7f9566f4c3.pdfveröffentlicht hat, unterschied drei Bereiche, die ein klimakompatibler Staat transformieren sollte: seine eigenen Einrichtungen, Anreize und Sozialpolitik; weg vom kompensierenden hin zum transformierenden Sozialstaat. Beispiele:
1. So könnte die CO2-Steuer das Einkommen einbeziehen, z. B. 1 Tonne CO2-Emission kostet 1% des Einkommens, 2 Tonnen 2 %.
2. Die Flugsteuer steigt mit der Häufigkeit der Flüge.
Sie empfiehlt, weiter miteinander zu reden, ein globales Abkommen über die Solidarität bei Klimaschäden (damage) und die Prüfung von Handelsabkommen auf Klimawirkungen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion erschienen mir die folgenden Punkte erwähnenswert:
- Mit dem Beginn der industriellen Revolution ca. 1820 stieg die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen bis 1910. Seit 1980 hat die Verteilungsungerechtigkeit zwischen den Ländern abgenommen, aber innerhalb der Länder zugenommen (SDG 10 UN-Ziel Abbau der Ungleichheit bis 2030) https://www.bmz.de/de/agenda-2030/sdg-10
- Die Globalisierung kreiert Ungleichheit z. B. durch immer größere Konzerne für Ernährung und Energie (globale Reichenschicht). Im EarthForAll-Bericht wird empfohlen, dass die Gesamteinkommen der reichsten 10% nicht mehr sein sollten als die Gesamteinkommen der ärmsten 40% der Weltbevölkerung (Palma-Ungleichheitsindex von 1,0[4])
- Kohlekraftwerke in Südafrika arbeiten in erster Linie für den Export in den Norden, die umliegende Bevölkerung leidet unter Stromausfällen. So verlagern Länder des Nordens ihren Emissions-Fußabdruck in den Süden. Positives Beispiel wird aus Tansania genannt, in dem die Bevölkerung von der Verteilung von PV-Anlagen profitierte.
- Es gilt die „Carbon Ritch“ und die „Carbon Criminals“ zu bekämpfen.
- Das Merkosur-Abkommen zwischen der EU und Lateinamerika wurde heftig kritisiert, da es z. B. den Export von Pestiziden und Verbrennungsmotoren in die lateinamerikanischen Länder befördere, außerdem wie oben dargestellt die Ungleichheit erhöht. https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/waelder/waelder-erde/eu-mercosur-abkommen
Am 2. Tag (19.4.) habe ich noch an der Gruppenarbeit zum Thema Klimageld teilgenommen. Zusammengefasst ist zwischen der Klimaschutzkomponente und der sozialen Komponente zu unterscheiden. Es wurde nicht als alleiniges Umverteilungsinstrument eingestuft. Es sind verschiedene Formen denkbar: gleiche Rückverteilung der Treibhausgs-Emissioneinnahmen pro Kopf oder mit sozialer Staffelung. Wichtig sei die Sichtbarkeit z. B. durch die Überweisung ähnlich der Familienkasse (MCC-Modell: https://www.klimareporter.de/deutschland/das-klimageld-koennte-sehr-viel-schneller-eingefuehrt-werden ). Bei den Wegen über die Steuer-ID oder die Krankenkassen wäre die Sichtbarkeit verloren und dementsprechend die Akzeptanz gefährdet.
Der aktuelle Stand ist allerdings, dass aufgrund der Ukraine-/Energiekrise die Erhöhung des Bundeszertifikatehandels auf Brennstoffemissionen ausgesetzt und in die nächste Legislatur verschoben ist. Somit ist de facto auch das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld verschoben.
Die derzeit gewonnenen Einnahmen durch den Emissionshandel werden im KlimaTransformationsFonds (KTF) (35,4 Mrd Euro geplant für 2023) vereinnahmt und stehen als Sondervermögen für die Finanzierung von Klimainvestitionen insbesondere des BMWK (z. B. Wärmewende, Industrie) zur Verfügung. Außerdem gibt es in der Ampel Uneinigkeit über die Ausgestaltung des Klimageldes (SPD Arbeitsministerium: soziale Staffelung in Ergänzung der Sozialleistungen mit Verknüpfung mit dem Einkommen und mit fester Einkommensgrenze). Mehr dazu: https://www.rnd.de/politik/klimageld-der-ampel-was-es-kann-und-wer-es-bekommen-soll-YBQ7EL6L7NCMDGCH6JGGKPY73U.html
Abschließende Bewertung: Die Tagung war kompetent besetzt und hat mir viele Einblicke in die Gerechtigkeitsdebatte zwischen den Ländern weltweit, insbesondere globaler Süden und Norden sowie innerhalb Deutschlands (Klimageld) ermöglicht. Insofern hilft der Austausch bei der klimapolitischen Feinjustierung. Einen Bewegungscharakter, indem konkrete Bündnisse geschlossen werden, um den Prozess der gesellschaftlichen sozialökologischen Transformation voranzutreiben, habe ich nicht wahrgenommen. Ein Kontakt ergab sich ganz am Schluss zu Marko Dörre von der Initiative Klimageld https://klimageld.de/ Ich habe ihm geschrieben und diese Zusammenfassung geschickt. Mal sehen, ob etwas daraus wird, was für die Christians hilfreich ist.
Am Rande der Veranstaltung glückliches Treffen mit Yvonne Berlin, das wir in den sozialen Medien gepostet haben.
- [1] Diakonie Deutschland
- Zukunftsforum Familie e. V.
- Institut für Kirche und Gesellschaft
- Forum Ökologie & Papier
- BUND Naturschutz in Bayern e. V.
- Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
- AWO Bundesverband e. V.
- Internationaler Bund
- 350.org
- Slow Food Deutschland e. V.
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)
– Friends of the Earth Germany - Brot für die Welt
- Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe
- Evangelische Akademie im Rheinland
- Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland – DaMOst e. V.
- Deutscher Caritasverband
- AGU – Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten in den Gliedkirchen der EKD
- Heinz-Sielmann-Stiftung
- Klima-Allianz Deutschland
- Deutscher Naturschutz-Ring
- Evangelische Kirche im Rheinland
- Evangelische Kirche von Westfalen
- Konzeptwerk Neue Ökonomie
- SoVD Sozialverband Deutschland
- WWF Deutschland
- NABU
- BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit
- Armutsnetzwerk e.V.
- Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. (ASB)
- Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland e. V.
- Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V.
- Lippische Landeskirche
- Nationale Armutskonferenz
- Greenpeace
- Werkstatt Ökonomie
- Forum Umwelt und Entwicklung
- Netzwerk Grundeinkommen
- German Zero e. V.
- Diakonie Hessen
- Diakonie Baden
- Diakonie Württemberg
- Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V.
- Omas for Future, Regionalgruppe Leipzig
- Christians for Future
- Katholische Landvolkbewegung Deutschland
- Misereor
- Berufsverband der Präventologen e. V.
- Fridays for Future
- Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung
der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau - Regionale Energie- und KlimaschutzAgentur e. V.
- Zukunftsrat Hamburg
- Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
- Attac Deutschland
- Ernährungsrat Berlin e. V.
- Yesil Cember
- Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.
- Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e. V.
- Dachverband für freie beratende und Gesundheit fördernde Berufe e. V.
- Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
[2] https://www.grundeinkommen.de/25/03/2023/regionaltreffen-west-klimakrise-und-grundeinkommen-verbinden.html dies eine Zusammenfassung des Berichts aus Sicht des Netzwerk Grundeinkommen, die Mitveranstalter des Netzwerktreffens waren.
[3] Nun soll Indien nach Schätzungen des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA in der Mitte des Jahres China überholen, wie aus Daten des jüngst veröffentlichten Weltbevölkerungsberichts der Organisation hervorgeht. In Indien sollen dann demnach 1,4286 Milliarden Menschen leben, in China 1,4257.
Da die Geburtenrate bei 2,01 Kindern pro Frau liegt, wird prognostiziert, dass der Trend bis etwa 2060 so weiter geht. https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/china-%C3%BCberholt-warum-indien-bald-bev%C3%B6lkerungsreichstes-land-ist/ar-AA1a9DQi